falsch abgebogen

… war der Impuls von Anna Koschinski zur letzten Blognacht, einem einmal monatlich stattfindenden Co-Writing. „Falsch abgebogen“ – was fällt mir dazu spontan ein?

1998, ich war süße 16 Jahre jung und hatte meinen ersten „richtigen“ Freund. Er war sieben Jahre älter als ich und wir waren kurze zwei Wochen zusammen. Ich hatte ihn meinen Eltern schon vorgestellt, denn wir wollten die Sommerferien nutzen, um weg zu fahren. Dem hatten meine Eltern nur zugestimmt, wenn sie ihn vorher kennenlernen durften. Ich war ja noch minderjährig. Ich reiste also mit meiner ganz frischen Liebe ein paar Tage in den Spreewald. Wir zwei waren nicht allein. Ein befreundetes Pärchen fuhr mit uns.

Das Ziel war Lübbenau, wo wir zwei Pärchen zwei Ferienzimmer reserviert hatten. Los ging die Fahrt. Wir im blauen Lancia Elefantino (unser Elefantenrollschuh) voraus. Hinter uns fuhr das andere Auto, ein tiefer gelegter grasgrüner Polo. „Lübben kenn ich, da war ich schon einmal!“, sagte ich großkotzig und nahm die Landkarte auf meinen Schoß. (Ja, ich bin mit meinen Ü40 schon echt alt – in meiner Jugend gab es noch keine Navigationssysteme). Wir brausten also dahin, bis wir irgendwie in der Nähe von unserem vermeintlichen Lübbenau waren und plötzlich wurde mir komisch. Ein unsicheres, flaues Gefühl kroch in die Magengegend. Warum um aller Welt gibt es hier so wenig Wasser, dachte ich. Den Spreewald hatte ich ganz anders in Erinnerung. Ich schaute wieder in die Karte und plötzlich fiel der Groschen: Ich hatte uns nicht nach Lübbenau navigiert, sondern nach Löbau. Die beiden Städte liegen dezente 177 Kilometer auseinander. Damals war der Sprit zwar noch billiger als heute, aber wir hatten trotzdem ein paar Deutsche Mark und viel Zeit verfahren. War mir das peinlich! Als ich meinen Fehler meinem Freund beichtete, herrschte Schweigen. Langes Schweigen! Zu allem Unglück war auch noch die nächste Autobahnabfahrt gesperrt und wir mussten fast bis zur polnischen Grenze in Görlitz gurken, um wenden zu können. Der nächste peinliche Moment kam dann später, als ich meinen Irrtum dem anderen Pärchen klarmachen musste. Die waren aber recht verständisvoll, weil sie gerne mit dem Auto fuhren.

Tja, was soll ich sagen? Es war trotzdem ein schöner Urlaub. Wir machten im „richtigen“ Lübbenau eine Kahnfahrt, besuchten das Freilandmuseum Lehde und unsere Beziehung hielt dreizehn Jahre. Leider verstarb mein Partner und Vater meines ersten Kindes danach. Sonst wären wir vielleicht heute noch zusammen. Was ich ab unserer ersten Urlaubsfahrt nicht mehr machen durfte? Richtig! Die Karte lesen ;-)! Mein Fauxpas war zu meinem Leidwesen immer wieder eine gern erzählte Geschichte auf allen folgenden Partys.

frisch verliebt auf dem Kahn

Wenn Du jetzt denkst, meine kleine Anekdote ist zuende, dann irrst Du Dich! Tatsächlich wohne ich heute, fünfundzwanzig Jahre nach diesem Ereignis, nur drei Kilometer von Löbau, also meinem damaligen Irrtumsort entfernt. Meine neue Liebe, die nun auch schon wieder zwölf Jahre hält, stammt aus der Gegend und ich bin mit dorthin gezogen. Das Städtchen und seine Oberlausitzer Umgebung ist sogar richtig schnuckelig und steht dem Spreewald in Sachen Schönheit in nichts nach!

Stadt Löbau

2 Kommentare zu „falsch abgebogen

  1. hey steffi, die geschichte aus deiner jugend ist echt klasse! und krass oder?! dass du jetzt nur drei kilometer entfernt wohnst von dem ort, an den es dich mit 16 schon gezogen hat – irgendwie dann doch der richtige ort, nur falscher zeitpunkt damals, hahaha – auch das foto ist toll 🙂 spannend was so ein vielleicht erstmal unscheinbar wirkender schreibimpuls zum thema „falsch abgebogen“ hervorbringen kann! lg, iris

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  2. Liebe Steffi,

    wie amüsant du schreibst. Ich habe mich beim Lesen köstlich amüsiert. Und durch dein „falsch abgebogen“ ist mir gleich nochmals ein Impuls gekommen, den ich in nächster Zeit mal verbloggen werde. Ist halt schon interessant, was man im Leben manchmal für „Umwege“ macht.

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